Haben wir genug Mais und Biogas?

"Haben wir genug Mais und Biogas?", fragt sich Rüdiger Bartels aus Oyten und gibt einige bedenkliche Antworten. Mit diesem Beitrag starten wir eine Reihe von Meinungsbeiträgen zu aktuellen Themen, die auch ortsrelevant sind. Durch Anklicken des Buttons auf der rechten Seite kommen Sie zu älteren Beiträgen, die dort als PDF-Datei abgelegt sind.

Meinung des Tages
Mais, soweit das Auge sieht (Fotos: R. Bartels)
So könnte es auch aussehen!
Biogasanlagen, nicht nur Idylle pur

Haben wir genug Mais und Biogas?

Rüdiger Bartels

Seit vielen Jahren beobachte ich, was sich in unserer Gemeinde in Wald und Flur grundlegend verändert. Es sind immer weniger Landwirte, die unser Umfeld gestalten, die die Flächennutzung bestimmen und die vorgeben, nur aus wirtschaftlichen Zwängen immer größere Flächen mit immer weniger Fruchtarten zu bestellen. Es wird nicht mehr daran gedacht, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche auch noch andere Funktionen hat, als Biogasanlagen zu füttern. Der Siegeszug des Maises soll uns allen als moderne Errungenschaft der Landbewirtschaftung gepriesen werden, aber er bringt doch erhebliche Nachteile für uns alle mit sich und nutzt nur extrem wenigen Landwirten.

Der Maisanbau ist nur im Zusammenhang mit der Unterbringung der Wirtschaftsdün-ger (- sprich Gülle) zu sehen. Die in viehstarken Regionen wie im Bereich um Cloppenburg im Überschuss anfallende Gülle wird zusätzlich in Riesentankwagen (bis zu 40 m³) in vieh-schwächere Gebiete wie den Landkreis Verden verfrachtet und dort bis zu fünfmal im Jahr auf die Ackerflächen verteilt. Wir alle ärgern uns über den Gestank, der vermeintlich beson-ders an Wochenenden uns das Leben auf dem Lande allzu oft vermiest.

Angeblich wird die Ausbringungsmenge genau kontrolliert. Jeder weiß, dass ein viel zu hoher Anteil des Stickstoffs bei unseren Sandböden viel zu schnell im Grundwasser landet und in die Nordsee abfließt. Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass der Mais die mit der Gülle ausgebrachten Nährstoffe besonders gut aufnimmt und verwertet. Ein wesentlicher Grund für den verstärkten Maisanbau ist lediglich seine hohe Verträglichkeit gegenüber einem Überangebot an Nährstoffen. Auch wenn mit Gülle kräftig überdüngt wird, bleibt der Mais stehen, wächst weiter und die überschüssigen Nährstoffe – besonders Stickstoff  als Nitrat – werden zum Beispiel in der Wümmeniederung mit ihren vorherrschenden grob- und rundkörnigen Sanden extrem schnell in tiefere Schichten verlagert, belasten das Grundwasser und gelangen in viel zu hoher Konzentration schließlich in die Nordsee.

Noch vor ein paar Jahren wurden wesentlich mehr verschiedene Feldfrüchte ange-baut, heute machen die Maisäcker schätzungsweise 60% der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Gemarkung Oyten aus – Tendenz steigend. Der Mais ist erst nach züchterischer Bearbeitung in unsere Breiten vorgestoßen, vor 1950 gab es hier keinen Mais. Gegen „gentechnisch veränderte“ Pflanzen laufen wir Sturm, aber ist „Zucht-Mais“ nicht auch ein Fremdkörper auf norddeutschen Fluren? Gleichbleibend dunkelgrün bis blau, alle Pflanzen dieselbe Höhe –  wie die Soldaten – über Kilometer das gleiche Bild!  . . . und begüllt zu fast jeder Jahreszeit, selbst im Juli als Kopfdüngung stinkt es durch die Lande! Jetzt weiß ich auch, warum die Deutschen so gern im Urlaub ins Ausland fahren, dort ist es abwechslungsreicher und damit erholsamer, und es stinkt dort überall nie nach Schweinescheiße!

Warum regt sich in der Bevölkerung nicht mehr Widerstand gegen diesen Raubbau am Erholungswert unserer Landschaft? Die Mehrheit nimmt diese Entwicklung als unab-wendbar hin, und die wenigen, die gegen diese Fehlentwicklung aufbegehren, werden überstimmt. Das ist der Nachteil in unserer Demokratie, dass die träge Mehrheit alles mit sich machen lässt. Wenn es um die Genehmigung neuer Biogasanlagen geht, werden offensichtlich von den Interessenvertretern nur die Entscheidungsträger bearbeitet, und unter denen sind die nur marktwirtschaftlich Denkenden in der Überzahl. Bei uns in Oyten prägen meines  Wissens nur zwei Landwirte das Landschaftsbild – und sie verdienen ganz gut dabei!
Es kommt noch schlimmer: Bei der Suche nach alternativen Energieträgern ist die Regierung wieder mal auf Biogas gestoßen. Der „Atomausstieg“ rechtfertigt Subventionen bei allen Ersatzenergieträgern – auch bei Biogasanlagen. Hier liegt aber ein elementarer Fehlschluss vor: Ohne Zusatzzahlungen aus dem Staatssäckel ist die Energieerzeugung über Biogas zum Beispiel aus Mais in Norddeutschland nicht wirtschaftlich. Daher wird auch dieser Energieträger von Regierungsseite kräftig unterstützt, und die Subventionen sind für 20 Jahre festgeschrieben. Sobald die Zuzahlungen eingestellt würden, wäre der gesamte Spuk mit dem Biogas in kürzester Zeit vorüber, weil sich diese Art der Energieerzeugung nicht selbst trägt! Man bedenke zusätzlich: Wir Steuerzahler unterstützen ob gewollt oder ungewollt diese Umweltbelastung mit rund 350 € pro Hektar und Jahr als allgemeine Grundförderung(den richtigen Fachausdruck finde ich noch!) für alle Ackerflächen.
Wenn nach 20 Jahren Subventionierung und partieller Zerstörung unserer Lebens-grundlagen die Stunde des Erwachens kommt, finden wir dann noch einen Weg heraus aus der Maismonokultur? Manchmal wünsche ich mir, dass eine unheilbare Krankheit den Mais befällt und so der Spuk ein schnelles Ende findet.

Was haben wir gelästert über die großflächige Bewirtschaftung in der DDR mit all ih-ren gravierenden Nachteilen, und heute machen wir in Niedersachsen denselben Fehler und setzen mit der Güllebelastung und der extrem großflächigen Monokultur einer eingeführten Feldfrucht noch eins drauf.

Zu Zeiten unserer Väter hatten Landwirte auf 25 Hektar Fläche ein gutes Aus-kommen. Heute benötigt man für das Betreiben einer Biogasanlage mittlerer Größe den Mais von 500 Hektar Ackerland, also das 20fache. Wen wundert es, dass in unseren Tagen ein Landhunger von den Betreibern der Biogasanlagen erzeugt wird, der die Pachtpreise so stark in die Höhe schnellen lässt, dass zum Beispiel ein normaler Milchviehbetrieb nicht mehr mitbieten kann. Bei den heute üblichen Pachten müssen Milchviehbetriebe aufgegeben werden.

Die Maisanbauer aber bekommen noch von anderer Seite Rückenwind: Der Wasser- und Boden Verband bemüht sich vehement, die gesamte Flur „maisfähig“ zu machen. Weil der Mais von der Wasserversorgung aus dem Grundwasser relativ unabhängig ist, werden die Vorfluter immer stärker ausgebaut. Früher genügten Grüppen und Gräben, um das überschüssige Oberflächenwasser abzuführen, heute werden möglichst große Flächen von graden, tieferen Kanälen zwangsentwässert, damit die schweren Güllefässer möglichst bald im Frühjahr auf die Flächen kommen und die großen Maishäcksler bis spät in den Herbst fahren können und nicht einsacken.

Fühlen wir uns noch in einer Landschaft wohl, wo großflächige Bewirtschaftung mit nur einer Feldfrucht vorherrscht? Häufiger Wechsel von Kulturarten wie an Waldrändern und Wiesenrainen erhöht den Erholungswert der Landschaft. Die Maismonokultur verlangt zusätzlich verstärkten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, der die Artenvielfalt auf allen Maisflächen auf ein Minimum reduziert hat. Auch über den ganzen Winter bieten die abgeernteten, öden Maisäcker ein sehr eintöniges, trauriges Bild.

Wenn nach 20 Jahren Subventionierung und partieller Zerstörung unserer Lebens-grundlagen durch diese einseitige Bewirtschaftung die Stunde des Erwachens kommt, finden wir dann noch einen Weg heraus aus der Maismonokultur? Manchmal wünsche ich mir, dass eine unheilbare Krankheit den Mais befällt und so der Spuk eher ein schnelles Ende findet.
Und dann habe ich noch einen ethischen Vorbehalt: Wir gestalten unsere Landschaft um, wir geben der Landbewirtschaftung ein anderes Ziel: Energiegewinnung statt Narungsmittelproduktion. Die Nahrungsgüter, die wir früher geerntet haben, werden nicht mehr in Deutschland und Europa produziert, dafür ist kein Platz mehr, dort werden Kilowattstunden geerntet. Wir aber sind so wohlhabend, dass wir Europäer uns die Nahrungsgüter beliebig in überseeischen Ländern einkaufen können. Nahrungsgüter sind für uns dort billig, wo man zum Beispiel ärmlich von Hirse und Bohnen bestenfalls von Reis lebt. Diese kärglichen Mahl¬zeiten fallen noch aus, weil wir dort die Märkte leer kaufen, nicht für uns selbst, sondern für unsere Mastschweine und Mastrinder.

Nur noch wenige von uns wissen, was Hunger bedeutet – und schon gar nicht die Betreiber von Biogasanlagen machen sich Gedanken über solche Folgen. Wie viele Kinder müssen zusätzlich in Mexiko, Darfur und Argentinien verhungern, weil vermeintlich unser Wachstum von der Befriedung unseres Energiehungers gesteuert wird. Das ist keine Ge-fühlsduselei, hier gibt es eine direkte Abhängigkeit.

Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, es gibt sie nicht mehr!