Ottersberg in der braunen Zeit

Sozialdemokraten brauchen sich für Vergangenheit nicht zu schämen Auf reges Interesse stieß der zeitgeschichtliche Vortrag von Fritz Bartels von der Ottersberger Geschichtswerkstatt unter dem Titel „Ottersberg unterm Hakenkreuz“. Vor vollbesetztem Saal referierte er mit Unterstützung vieler alter Aufnahmen über die politische Entwicklung des Ortes von den Anfängen der Weimarer Republik bis nach dem Zweiten Weltkrieg und warf dabei einen besonderen Blick auf die Rolle der Sozialdemokraten.

    Gleich zu Beginn wies der Referent auf die Schwierigkeiten hin, die Zeit des Nationalsozialismus historisch lückenlos aufzuarbeiten. Denn in den in großer Vielzahl vorhandenen Chroniken, egal ob von Institutionen oder auch von Privatfirmen, sei dieser Zeitraum schlichtweg ausgespart worden. Man fände höchstens einen nichtsagenden allgemeinen Hinweis auf die „dunkle Zeit“, ohne Einzelheiten zu nennen.
    Allerdings machte Fritz Bartels anhand vieler kleiner Details auf den Fotos, die fast ausnahmslos aus den Bildarchiven von Günther Wiggers, Karl-Heinz Dörl und Wilhelm Wiebe stammten, dass die Bürger Ottersbergs in ihrer überwiegenden Mehrzahl keine Republikaner waren. So zeigte er das Foto des ehemaligen Kriegerdenkmals am heutigen Busbahnhof, dem damaligen Marktplatz, das an die Gefallenen des Krieges von 1870/71 gegen Frankreich erinnern sollte. Zwei Fahnenstangen rechts und links waren Schwarz-Weiß-Rot gestrichen, den Farben des untergegangenen Kaiserreiches. Das Ansinnen von zwei Sozialdemokraten im Ottersberger Rat, die Masten in den Republikfarben Schwarz-Rot-Gold umzulackieren, fand kein Gehör bei den Ottersbergern.
    Ein größeres Kapitel nahm der Bereich Widerstand ein, den es in Ottersberg durchaus an verschiedenen Stellen gegeben hatte, manchmal auch eher dezent. So konnte man anhand von Konfirmationsbildern aus Otterstedt gut erkennen, dass beispielsweise 1934 überwiegend HJ-Kleidung getragen wurde. Vier Jahre später wurde dieses unter dem neuen Pastor Weber offensichtlich nicht mehr geduldet: Alle Konfirmanden waren angemessen festlich gekleidet.
    Auch von der Reparaturwerkstatt Siewe war die Rede, von wo aus Flugblätter gegen das Naziregime verteilt wurden. Ebenso wurde das Elektrogeschäft Walter Bertram erwähnt, dessen Besitzer zunächst Kommunist und einige Jahre nach Kriegsende Sozialdemokrat wurde. Auch im Gasthaus Heinrich von Bargen ließ man sich nicht einschüchtern, sondern behandelte die Kriegsgefangenen als Menschen und ließ sie mit am Tisch sitzen.
    Besondere Erwähnung fand der Ottersberger Sozialdemokrat August Siegesmund. Er war ungebeugt durch die Nazizeit gegangen trotz vieler Schmähungen. Und er war es auch, der die in den letzten Kriegstagen in Eckstever wegen Fahnenfluchts hingerichteten und verscharrten jungen Männer exhumierte und dafür sorgte, dass sie auf dem Otterstedter Friedhof kamen. Gedankt wurde ihm sein Verhalten allerdings nicht.
    Fritz Bartels hatte noch viele aufschlussreiche Ereignisse parat und hinterließ nach seinem zweistündigen Vortrag viel Nachdenklichkeit bei den Zuhörern. Die Frage stand im Raum, ob die Menschen aus dem Erlebten gelernt hätten. Die von ihm präsentierten Wahlergebnisse aus Ottersberg nach dem Krieg deuteten eher nicht darauf hin: Die national gesinnten Parteien hatten eine deutliche Mehrheit.

Manfred Kallendorf, 19.10.12