Dass Bürgermeister Hofmann bereits vor den Sommerferien Versäumnisse eingeräumt und sich dafür entschuldigt hat, ist hinlänglich bekannt. Ende 2013 hatte er 700 Tsd. Euro an den gemeindeeigenen Betrieb überweisen lassen und Anfang 2014 noch einmal 300 Tds. In der Ratssitzung Ende Juli gab Hofmann zu, dass er den Rat über die von ihm getroffenen Eilentscheidungen zur Liquiditätssicherung des E-Werks sofort in Kenntnis hätte setzen müssen. Denn in § 89 des NKomVG liest man u. a.: „Sie oder er hat die Vertretung und den Hauptausschuss unverzüglich zu unterrichten.“ Damit sind Gemeinderat und Verwaltungsausschuss gemeint.
Auf die Frage, warum er das nicht getan hat, reagierte Horst Hofmann mit Achselzucken („Das könnte ich jetzt nicht mehr sagen“). In der neuerlichen Pressemitteilung (PM), die auf wohl auf Drängen der Fraktionsvorsitzenden der Mehrheitsgruppe zurückzuführen ist, räumt Hofmann neue schlechte Nachrichten bezüglich der wirtschaftlichen Lage des E-Werks ein. Welche neuen Informationen offenbart die PM nun im Einzelnen?
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Wenn man Forderungen gegenüber einem Schuldner (auch Debitor genannt) hat, werden diese – solange sie nicht beglichen sind – auf eine besonderes Konto gebucht (das sogenannte Debitorenkonto). Obwohl die Außenstände noch nicht eingetrieben sind, tauchen sie in der Bilanz jedoch als Guthaben auf. Dieser Sachverhalt und weitere unklare Buchungsvorgänge führten dazu, dass es ab dem Jahr 2011 keine Jahresabschlüsse des E-Werks mehr gegeben hat.
Unabhängig davon, ob die Forderungen begründet sind und evtl. noch realisiert werden können, kann man mit Ansprüchen auf dem Papier weder Mitarbeiter bezahlen noch offene Rechnungen bezahlen. Für einen unabhängigen Betrieb bleibt in einer solchen Situation nur der Gang vors Insolvenzgericht. Man ist pleite.
Solch eine Entwicklung wollte Horst Hofmann natürlich unbedingt vermeiden. Denn das E-Werk galt bei vielen in der Verwaltung und im Rat als „Tafelsilber“, um das uns andere Gemeinden beneideten. Und die innovative BIN war der Stolz der Gemeinde, die auch noch Wohltaten zu leisten im Stande war. Also wurde Liquidität geschaffen, in dem man zunächst einmal 1 Mio. Euro aus dem Gemeindesäckel dem E-Werk unbürokratisch zur Verfügung stellte.
Ein solcher Betrag lässt sich jedoch auch von der geschicktesten Verwaltung nicht dauerhaft verheimlichen (Tim Weber, dem dieses Auffiel, sei Dank). In der PM heißt es dazu: „Diese Zahlung hatte Bürgermeister Horst Hofmann vorgenommen, ohne den Rat zu informieren. Über diese Aktion ist die finanzielle Schieflage im E-Werk in die jetzt laufende Diskussion gekommen.“ Das klingt fast so, als würde man nicht die schlechte Tat rügen, sondern dem überbringenden Boten die Schuld am Desaster geben. Unglaublich.
Offensichtlich sind etliche dieser Forderung auch nicht zu begründen, d. h. sie sind ungerechtfertigt und werden darum nie erfüllt werden oder – wie Hofmann in seiner PM sagt – „sind nicht werthaltig“. Da sich diese seit vielen Jahren addiert haben, wurde den Gemeindevertretern – und wohl auch dem Bürgermeister – eine „positive Geschäftslage“ vorgetäuscht.
Die ursprüngliche Strategie im Rathaus, die Probleme möglichst nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, um den im Wettbewerb stehenden Betrieb nicht zu gefährden (und die Wiederwahl des Bürgermeisters!), wurde spätestens zu dem Zeitpunkt obsolet, als klar wurde, „dass die Prüfung und Auflösung der vorgefundenen Probleme eine so lange Zeit in Anspruch nehmen würde“.
Angeblich haben mehrere Phasen der Prüfung durch verschiedene Beteiligte immer noch kein Ergebnis gebracht. Und nachdem seit Mitte August ein weiterer Wirtschaftsprüfer in eine „Sonderprüfung eingestiegen ist, wird dem Rat nun vorgeschlagen, umgehend zu handeln.“ Dieses Handeln findet übrigens hinter verschlossenen Türen in einer nicht öffentlichen Ratssitzung am 11. September statt.
Laut PM soll dieses Handeln zunächst so aussehen, dass man den Kreditrahmen des E-Werks, der bis Ende 2013 bei 500 Tsd. Euro lag, drastisch auf über 2 Mio. oder sogar knapp 3 Mio. Euro erhöht. Denn schon jetzt liegen die Verbindlichkeiten gegenüber Banken und sonstigen Gläubigern (vor allem die Gemeinde Ottersberg) bei 2,4 Mio. Euro. „Zudem muss die Liquidität für das nächste Jahr gesichert werden.“ Oha!
In der PM des Bürgermeisters ist die Rede davon, dass das Hallenbad immer schon Verluste von 400 Tsd. Euro pro Jahr eingefahren hat. Das ist mehr, als man bis jetzt in der Öffentlichkeit annahm. Hier wurde bis dato ein Defizit von 1000 Euro pro Tag zu Grunde gelegt. Belastend hinzu kommt, dass in den letzten Jahren hohe Investitionen vorgenommen worden sind, die das Defizit weiter in die Höhe schrauben.
Rätselhaft ist allerdings die Passage in der PM, in der die Vermutung geäußert wird, „dass auch für die letzten 5-6 Jahre höhere Verluste als ausgewiesen zu erwarten sind.“ Bereitet man uns mit dieser Aussage darauf vor, dass die Jahresabschlüsse auch schon vor 2011 nicht in Ordnung waren?
Der unbedarfte Zeitgenosse wunderte sich schon seit langem. Wieso konnte ein kleiner gemeindeeigener Betrieb eine Leistung vollbringen, zu der sich große Kommunikationsunternehmen außerstande sahen – nämlich so abgelegene Siedlungen wie Benkel mit einem schnellen Internetanschluss zu beglücken. Hier hätten Verwaltung und Bürgervertretung energischer nach dem wirtschaftlichen Risiko fragen müssen. Würden sich Investitionen in diesem Bereich kurzfristig amortisieren, hätten die „Großen“ doch längst zugeschlagen.
Ändern soll sich in naher Zukunft, dass zwischen der Breitband Innovation Nord (BIN) und dem E-Werk eine saubere Trennung vollzogen werden soll, auch buchhalterisch. „Dass aktive Netz muss bei der BIN angesiedelt sein, das passive Netz beim E-Werk Ottersberg“, so Helge Dannat, der neue E-Werks-Leiter.
Es gibt Stimmen in der Politik, die schon jetzt befürchten, dass der Schuldenstand des E-Werks nach der Beseitigung aller Unklarheiten bei weit mehr als drei oder vier Millionen Euro liegen wird. „Der kommunale Eigenbetrieb ist als rechtlich unselbständige öffentlich-rechtliche Organisationseinheit einer Gemeinde ebenso insolvenzunfähig wie diese“ (Wikipedia). Darum wird dem Flecken wohl nichts weiter übrig bleiben, als zu zahlen, seien die Verluste auch noch so groß.
Hier ist Zweifel mehr als angebracht. Immerhin sind die Probleme in Hofmanns Amtszeit entstanden. Er hat frühzeitig von den Schwierigkeiten gewusst, ohne Mittel zu finden, aus dieser Sackgasse herauszufinden. Manche sprechen sogar von Amtsmissbrauch und denken über eine Dienstaufsichtsbeschwerde nach.
Doch vor eine Abwahl hat der Gesetzgeber eine hohe Hürde gesetzt. Es braucht eine Dreiviertelmehrheit im Gemeinderat, um ein solches Amtsenthebungsverfahren in Gang zu setzen. Erst dann kann die Bevölkerung in einer Abstimmung den Akt rechtskräftig machen.
Also bleibt den Vertretern der Einwohnerschaft – egal von welcher Couleur – die jetzige Verwaltungsspitze so gut es geht zu unterstützen. Es geht jetzt um Schadensminimierung und das Finden eines Weges aus der Misere. Notfalls müssen auch radikale Schritte vollzogen werden. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
Manfred Kallendorf
09.09.14
Lesen Sie zu Ihrer Information auch die Pressemitteilung aus dem Rathaus und die Artikel der lokalen Presse!
Dokumente
- „E-Werk: Verbindlichkeiten von 2,4 Mio. Euro angehäuft“ (Kreisblatt vom 05.09.14)
- „E-Werk: Neuer Wirtschaftsplan“ (Achimer Kurier vom 05.09.14)
- „‚Anschein positiver Lage erweckt'“ (Rundschau vom 07.09.14)
- „E-Werk Ottersberg: Noch kein abschließendes Ergebnis, aber wir handeln!“ (PM von H. Hofmann Anfang Sept. 14)